TEXTGRÖSSE:
Max BronskiSchriftsteller
Popstar im Pornogeschäft


Der Münchner Schriftsteller Max Bronski, 31, hat seine Heimatstadt nie verlassen. Mit seinem Schriftstellerkollegen Jörg Steinleitner spricht er über Deppen, mediale Konstruktionen, bezahlten Sex und seinen kernigen München-Krimi "Sister Sox".


Jörg Steinleitner:  Herr Bronski, Ihr Roman "Sister Sox" spielt in München. Doch wir begegnen in Ihrem Krimi praktisch keinem der Klischees, die wir im Kopf haben, wenn wir an München denken: keine vollbusige Bedienung im Dirndl, kein Möchtegern-Promi à la Moshammer, nicht einmal ein Neureicher wie Boris Becker kommt darin vor. Inwiefern beschreiben Sie das wahre München?

Max Bronski:  Nach dem Einsteinjahr ist es sicher klug, wenn man sagt, dass Wahrheit eine Frage der Perspektive ist. Von unten her gesehen beschreibe ich das wahre München.

Jörg Steinleitner:  In Ihrem Buch gerät ein junges, hübsches Mädchen aufgrund der Versprechung, es werde Popstar, ins Pornogeschäft. Was halten Sie von den im Fernsehen derzeit in großer Zahl dargebotenen Talentshows?

Max Bronski:  Genau das, was ich meinem Buch dazu gesagt habe. Im Übrigen ist heute schon vollkommen klar, dass bald die erste Staffel DSDP ins Rennen geschickt wird: Deutschland sucht den Pornostar.

Jörg Steinleitner:  Für viele Menschen ist es verlockend, berühmt zu sein. Was sagen Sie dazu?

Max Bronski:  Schlimm, wo doch jeder Depp berühmt werden kann. Berühmtheit ist kein Verdienst, sondern eine mediale Konstruktion.

Jörg Steinleitner:  "Sister Sox" ist Ihr erster Kriminalroman. Er ist sehr gelungen. Womöglich werden Sie selbst bald ein berühmter Schriftsteller sein. Wie wollen Sie damit umgehen?

Max Bronski:  Fangfrage! Bin ich denn ein Depp?

Jörg Steinleitner:  Ihr Roman spielt auch in einem Münchner Rotlicht-Etablissement. Was halten Sie von bezahltem Sex?

Max Bronski:  Nichts. Ich bezahle nicht für Sex.

Jörg Steinleitner:  Liebe kommt in Ihrem Roman praktisch nicht vor – sehen wir von der „Onkel-Liebe“ Ihres Helden zu seiner „Nenn-Nichte“ ab. Haben Sie dieses Thema bewusst ausgespart?

Max Bronski:  Nein, darüber lässt sich sicher ein andermal erzählen. Nur in dieser Geschichte, wo Gossec dauernd auf die Bretter geschickt wird, findet er einfach keine Gelegenheit dazu.

Jörg Steinleitner:  Eben dieser Ich-Erzähler Wilhelm Gossec ist ein ziemlich brutaler Typ, der trotz vorhandener Sprachgewandtheit gerne auch mal den Totschläger sprechen lässt. Wäre es nicht großartig, wenn man so einfach, ohne große Diskussion Probleme aus dem Weg schaffen könnte?

Max Bronski:  Ich habe mir diese Figur ausgedacht und die ist dann wie von selbst losmarschiert. Mit Gossec liegt aber keine Empfehlung vor, es genau so zu versuchen, es sei denn, man hätte auch seine Nehmerqualitäten.

Jörg Steinleitner:  Wilhelm ist trotz seiner Ruppigkeit sympathisch. Was war Ihnen bei der Darstellung dieses in den Tag lebenden „Antiquitätenhändlers“ wichtig?

Max Bronski:  Genau das, was Sie sagen! Ich habe einen kantigen Typen hingestellt, der etwas hat, was wir alle gerne hätten: Dass man uns auch unserer Fehler wegen klasse findet.

Jörg Steinleitner:  Haben Sie sich zu Beginn der Arbeit an Ihrem Roman gleich für die Ich-Form entschieden?

Max Bronski:  Sofort, ohne zu zögern. Nur so kann man die Welt aus seiner Perspektive sehen.

Jörg Steinleitner:  Lesen Sie selbst gerne Kriminalromane?

Max Bronski:  Klar, alles was ich so in die Finger bekomme. Aber an die Klassiker wie Chandler oder Hammett kommt eben doch nichts ran. Es ist die Atmosphäre in diesen Romanen, aus der sich der Fall wie von selbst ergibt. Und der wird an den absolut kritischen Punkt hinerzählt wie im "Malteser Falken", dass sich – Frauen hin oder her – kein Detektiv damit abfinden darf, wenn sein Partner erschossen wird. Man würde natürlich gerne für sich beanspruchen, dass man von diesen Autoren was gelernt hat. Aber mich haben Filme mehr beeinflusst. Italowestern zum Beispiel. Gossec ist wie Django oder Il Mercenario.

Jörg Steinleitner:  „Der Humor der Münchner Polizei ist manchmal ziemlich derb“, lassen Sie Ihren Protagonisten Wilhelm Gossec einmal sagen. Kamen Sie selbst schon einmal in den Genuss, die Humorfestigkeit der Münchner Polizei zu testen?

Max Bronski:  Da niemand sicherstellen kann, dass das nicht auch meine Mutter zu lesen bekommt, decken wir den Mantel des Schweigens darüber.

Jörg Steinleitner:  „Ich wollte niemand etwas schuldig sein, buckeln sowieso nicht, denn wer sich einmal verbiegt, bleibt ein Leben lang krumm“, statuiert Gossec einmal und formuliert damit einen Traum, den die meisten Menschen gerne leben würden, aber nicht können. Wie gehen Sie in Ihrem eigenen Leben mit dem Zwang, aus Existenzgründen immer wieder „buckeln“ zu müssen um?

Max Bronski:  In der Taxifahrersprache gibt es die Bezeichnung „Alleinfahrer“. Das sind solche, die den Wagen nach der Schicht nicht zurückbringen, sondern ihn eine Woche oder länger behalten. Natürlich muss der Umsatz stimmen, sonst wird der Unternehmer grantig. In diesem Sinne bin ich Alleinfahrer, wenn ich schon den Umsatz erbuckeln muss, möchte ich mir wenigstens selbst aussuchen, wann, wie und wo.

Jörg Steinleitner:  Noch einige München-Fragen: Was ist das Beste an München?

Max Bronski:  Das Bazihafte. Hier zollt man jemand Bewunderung, wenn es heißt: A Hund is a scho!

Jörg Steinleitner:  Das Übelste an München?

Max Bronski:  Hat so ein Hund zuviel Geld oder Macht, wird er zur gscherten Sau.

Jörg Steinleitner:  Die beste Münchner Wirtschaft?

Max Bronski:  Der „Wallner“ an der Großmarkthalle, werktags zwischen 11 und 13 Uhr.

Jörg Steinleitner:  Der größte Münchner Depp?

Max Bronski:  Sage ich Ihnen, dürfen Sie aber nicht schreiben. Weil ich den Humor der Münchner Promi-Anwälte ich lieber nicht austesten möchte.

Jörg Steinleitner:  Die größte Lüge über München?

Max Bronski:  Nacha mach ma halt a Revolution, dass a Ruah is!

Jörg Steinleitner:  Wenn Sie eine Weile aus München verschwinden müssten, so wie eine Ihrer Figuren, Carmello, wohin würden Sie – vorausgesetzt, Sie hätten die freie Wahl abhauen? Warum?

Max Bronski:  Wenn es tatsächlich zum Äußersten kommt, würde ich es mit Ambach versuchen.

Jörg Steinleitner:  Herr Bronski, vielen Dank für das Gespräch.



Das Interview wurde in Auszügen abgedruckt im KrimiMagazin 2006. www.buchSzene.de

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